Schlaftrainer und Ergonomieberater Bjoern Steinbrink

Stiftung Warentest und Matratzen: Warum man sich die Ergebnisse genau durchlesen sollte

Geschrieben von Schlafnavigator Bjoern Steinbrink c/o Der Schlafraum | 12. März 2015 17:16:35 Z

Auch heute ist für viele Konsumenten ein Ergebnis von Stiftung Warentest der entscheidende Hinweis für das Kaufverhalten. Neben Stiftung Warentest gibt es noch viele Verbände und Organisationen, die Produkte testen und somit erheblichen Einfluss auf Kaufentscheidungen haben. Auch für den Kauf von Matratzen wird diese Taktik oft angewandt. Wir möchten darlegen, warum man gerade beim Matratzenkauf Testberichten nicht uneingeschränkt Glauben schenken sollte.

Kann eine Matratze, die im Test gut abgeschnitten hat, trotzdem schlecht für mich sein?

Egal ob Stiftung Warentest, Ökotest oder eine andere Organisation: In den meisten Fällen werden immer die gleichen Kriterien überprüft. Es geht um Haltbarkeit, Anpassungsfähigkeit, Luftdurchlässigkeit, Ökologie und etwas untergeordnete Dinge wie das Handling der Matratze. Somit werden Grundlagen getestet.
Ob eine Matratze wirklich zu dem individuellen Menschen passt, der den Bericht gerade liest, kann natürlich nicht geklärt werden. Hierzu müsste derjenige die Matratze selber testen und nicht ein fremder Mensch. Aussagen über Rückenfreundlichkeit beispielweise können nicht pauschalisiert und übertragen werden, da die Rückenfreundlichkeit einer Matratze von dem individuellen Körperbau des Liegenden abhängig ist. Man kann sich das wie beim Schuhkauf vorstellen: Die individuelle Form des Fußes und damit verbundene Schuhgröße entscheidet, ob ein Schuh gut passt oder drückt. Man kann nicht pauschal sagen, dass der Schuh № 1-1-25317 in der Größe 39 von Tamaris jedem Menschen gut passt, auch wenn er ein sehr gutes Fußbett hat. Generelle Aussagen über Rückenfreundlichkeit sind deswegen unserer Meinung nach eher irreführend als hilfreich. Selbst wenn eine Matratze mit „gut“ bewertet ist, muss die Matratze nicht gut für den Käufer sein – im Gegenteil: Sie kann sogar zu Rückenschmerzen und schlechtem Schlaf führen.


 

Warum testet Stiftung Warentest selten qualitativ gute Matratzen?

Diese Frage stellen wir uns auch. In den meisten Fällen werden nur Discountprodukte getestet. Ein Testergebnis hat unserer Meinung nach jedoch nur Wert, wenn sich die Produkte auch vernünftigen Gegnern stellen mussten. Ich kann mich auch nicht damit rühmen, im Dart noch nie verloren zu haben, wenn ich immer nur gegen meine 3-jährige Tochter spiele.
Warum schneiden qualitativ gute Matratzen schlecht ab, wenn sie tatsächlich mal im Test auftauchen?
Wir haben teilweise den Eindruck gewonnen, dass die Testkriterien so angepasst werden, dass billige Matratzen bevorzugt werden.

Beispiel 1

TEMPUR hat sich vor Jahren mit der Matratze „Comfort 20“ bei Stiftung Warentest ins Rennen begeben. Diese Matratze wurde mit ausreichend bewertet und es wurde die Aussage getroffen, dass billige Matratzen besser sind als teure. Der Grund war einfach. In der Kategorie „Handling“ wurde die TEMPUR Matratze sehr schlecht bewertet, da die Matratze keine Wendegriffe hat. Somit hätte der Endkunde beim Drehen der Matratze große Schwierigkeiten (hierzu muss man wissen, dass man TEMPUR-Matratzen nicht drehen muss, da der Schichtaufbau nur eine Liegeseite vorsieht). Hätte man den Punkt „Handling“ aus dem Test gestrichen, wäre die Matratze als Sieger hervorgegangen. Unsere Einschätzung zu Tempur finden Sie hier.

Beispiel 2

Leider sind auch andere Testmedien in dieser Form aufgestellt. Vor einiger Zeit wurde eine Matratze der Firma „RÖWA“ als schlecht bewertet, weil in dem Matratzenbezug „Kunststoff“ enthalten war. Jetzt die Auflösung: RÖWA befestigt an den Seiten der Bezüge kleine Kunststofftaschen, in welchen sich die Matratzenbeschreibung befindet. Sobald die Ware beim Kunden ins Bett gelegt wird, wird das Schild entfernt. Für die Tester war dieses Schild aber ausreichend, um Discountprodukten den Vorzug zu geben.

Gegen günstige Matratzen ist Nichts einzuwenden!

Wir möchten nicht den Eindruck erwecken, dass man immer die teuerste Matratze kaufen muss. Das stimmt auf keinen Fall. Die Matratze muss zu einem passen und nur eine gute und individuelle Beratung wird zum Ziel führen. Sich „nur“ an Tests zu orientieren ist ebenso absurd, wie eine Matratze zu kaufen, nur weil der Nachbar gut darauf schläft.
Im Rahmen unserer Schlafberatungen nennen wir die Preise gerne erst am Schluss, da teilweise die günstigere Matratze als angenehmer empfunden wird und ergonomisch perfekt passt. Es gibt auch sehr gute Matratzen, die aus dem preiswerteren Segment des Marktes kommen.

Matratzen Concord ist Matratzenhändler des Jahres

An dieser Stelle von uns herzlichen Glückwunsch! Allerdings möchten wir aufzeigen, dass nur Discounter und Möbelhäuser getestet wurden. Wenn inhabergeführte und zertifizierte Fachgeschäfte generell in solche Tests nicht mit einbezogen werden, welchen Wert hat dieser Titel dann für den Endverbraucher? Auch hier die Frage: Hat ein Sieg des FC Bayern gegen Victoria Köln den gleichen Stellenwert wie gegen den FC Barcelona?

Unser Fazit

Wer die Tests von Stiftung Warentest und ähnlichen Medien zur Kaufentscheidung hinzunimmt, sollte bitte nicht nur die Überschrift, sondern die ganze Basis der Testeinheit berücksichtigen. Bei Stiftung Warentest sind diese auschlaggebenden Details der Ergebnisse online einsehbar, wenn auch leider nur gegen eine Gebühr. Außerdem sollten Punkte wie „Rückenfreundlichkeit“ mit großer Vorsicht betrachtet werden, da derartige Aussagen nicht pauschal für jeden Menschen und seinen individuellen Körperbau getroffen und generalisiert werden können.