Schlaftrainer und Ergonomieberater Bjoern Steinbrink

Was sagt der Härtegrad bei Matratzen aus? Nichts!

Geschrieben von Schlafnavigator Bjoern Steinbrink c/o Der Schlafraum | 25. November 2016 10:46:40 Z

Immer wieder werben bestimmte Online-Matratzenshops oder -Händler mit dem Härtegrad einer Matratze. Damit möchte man besonders guten Service und eine große Auswahl an Matratzen für alle Kunden andeuten. Doch welche Rolle spielt der Härtegrad wirklich?

Härtegrad einer Matratze kurz und knapp auf Youtube

Die von den unterschiedlichen Shops verwendeten Härtegrade orientieren sich rein am Körpergewicht des Schläfers. Jedoch kommt es nicht nur auf Gewicht und Größe an, sondern auf die Körperform.

Hierzu ein einfaches Beispiel: Zwei Männer sind 190 cm groß und wiegen 90 Kilogramm. Der eine ist ein Athlet und schwimmt mehrmals wöchentlich lange Strecken. Daher hat er ein sehr breites Kreuz, aber eine eher schmale Taille.
Der zweite Mann kennt Sport hauptsächlich aus dem Fernsehen, genießt aber im Rahmen der Sportübertragungen übermäßig viele Chips, Süßigkeiten und Bier. Somit ist sein Hauptkörpergewicht eher in Gürtelhöhe gelagert. Und jetzt die große Frage: Sollten beide Personen die gleiche Matratze nutzen? Natürlich nicht!

H2 oder H3: Verwirrende Angaben zum Härtegrad

Noch deutlicher machen es die Härtegrad-Tabellen einiger zufällig ausgewählter Händler. Während manche einfach nur Zahlen für die Festigkeiten verwenden, arbeiten andere mit Bezeichnungen wie H2 oder H3 zur Festigkeit. Doch die Angaben zum Körpergewicht (kg) variieren bei den Shops erheblich:

Otto Meine Matratze Malie
1= 0-65 kg H1= bis 60 kg H1= bis 70 kg
2= 0-80 kg H2= bis 80 kg H2= bis 80 kg
3= 81-100 kg H3= bis 100 kg H3= bis 90 kg
4= 101-120 kg H4= ab 100 kg H4= bis 130 kg
5= 121-160 kg   H5= ab 130 kg

Wie soll nun eine Person von beispielsweise 68 kg wissen, welchen Härtegrad sie benötigt? H1 oder H2? Oder eine Person von 125 kg: 5 oder H4?
Man sieht schon, dass solch ein Matratzenkauf eher einem Stochern im Nebel gleicht. Wirklich hilfreich sind solche (scheinbar willkürlichen) Angaben nicht gerade.

Doch noch immer orientieren sich sehr viele Menschen am Härtegrad einer Matratze, wenn sie sich für eine neue Schlafunterlage interessieren.
Warum ist das so? Früher galten harten Matratzen als besonders sinnvoll für guten, erholsamen Schlaf. Davon ist man inzwischen in der Schlafforschung allerdings abgerückt. Denn jeder Mensch hat eine andere Körperform und andere Ansprüche an die Schlafqualität. Der eine kommt mit einer weichen Matratze bestens aus, der andere liegt am ergonomischsten auf einem “Brett”. Oder man sucht vielleicht eine Matratze nach einem Bandscheibenvorfall.

Welche Härtegrade gibt es?

Die meisten Hersteller unterteilen soft, medium und fest. Also drei Härtegrade. Bei Herstellern, die diverse Produktreihen haben, kann das aber stark unterschiedlich sein, da die Eigenschaften von Matratzen sehr verschieden sind.
Die Firma Metzeler baut bei der Matratze Delight zum Beispiel fünf Härtegrade, aber bei der Matratze Pleasure nur zwei. Einige Hersteller bieten gar keine verschiedenen Härtegrade bei bestimmten Modellen an, sondern arbeiten mit unterschiedlichen Abdeckungen. Auch TEMPUR hat keine Härtegrade, sondern über 20 unterschiedliche Matratzenmodelle, je nach Körperform des Kunden.

Welche Unterlage für Sie die richtige ist, können Sie nur bei einer umfangreichen Schlafberatung und einem intensiven Probeliegen herausfinden. Und dies ist bei einem Online-Shop natürlich nicht immer gegeben. Der Fairness halber muss man aber sagen, dass die meisten Internetshops den Hinweis geben, dass die Härtegrade je nach Hersteller abweichen können.

 

 

Wie berechnet man den Härtegrad von Matratzen?

Die Festigkeit wird durch das Einsetzen der Kerne in den Matratzen bestimmt: Das gilt für Taschenfederkernmatratzen ebenso wie für Kaltschaummatratzen (Visco-Matratzen) oder Latexmatratzen. Wie sollen aber Laien den Unterschied erkennen? Wie sollen sie wissen, ob Hersteller X – mit dem sie vielleicht gute Erfahrungen gemacht haben – denselben Härtegrad wie Hersteller Y verwendet, für den sie sich nun bei der Neuanschaffung interessieren? Das ist unmöglich. Testen ist hier die einzige Lösung.
Außerdem verwenden Hersteller wie erwähnt sehr unterschiedliche Angaben in Bezug auf die Härtegrade. Und sie sprechen diese Empfehlung aus nur nach Gewicht und nicht nach Körperform aus.

Der Fachverband Matratzen erklärt zu den Härtegraden und mit Hinweis auf die entsprechende DIN-Norm (EN 1957): “Mit Hilfe einer Formel wird das Verhältnis von Belastung und Eindrücktiefe einer Matratze errechnet und in einem Wert zwischen 1 und 10 ausgedrückt. Der Wert „1“ steht dabei für „hart“ und der Wert „10“ für „weich“. Die Norm enthält aber keine Angaben darüber, wie Hersteller oder auch Prüfinstitute aus den Werten von 1-10 konkrete Härtegrade abzuleiten haben und ob zwischen drei, fünf oder gar zehn Härtegraden unterschieden werden soll. So kommt es, dass manche Hersteller ihre Matratzen in drei unterschiedlichen Härtegraden (also hart, mittel und weich) anbieten und sich andere für fünf verschiedene Härtegrade entschieden haben. Für Verbraucher ist die Norm darüber hinaus nur gegen Zahlung einer Gebühr erhältlich und zudem sehr technisch gehalten.”

Möchte man wissen, welche Matratzen in diversen Tests wie abgeschnitten haben, landet man sehr oft bei Stiftung Warentest. Dabei ist anzumerken, dass die Angaben von Stiftung Warentest nicht korrekt sind. Warum sind sie falsch? Stiftung Warentest geht davon aus, dass es nur vier unterschiedliche Körperformen gibt.
Schauen Sie sich doch mal in Ihrem Bekanntenkreis um: Ausgehend von den vier wichtigen Punkten Schulterbreite, Lordosetiefe, Beckenbreite und Taillenumfang – wie viele Personen passen zu 100% in ein bestimmtes Schema?

Wie findet man den richtigen Härtegrad?

Durch gute Beratung! Der Kauf einer Matratze ist zwar kein Hexenwerk, aber ohne Beratung reine Glückssache. Hinzu kommt der Lattenrost oder die Unterfederung. Durch die Nutzung unterschiedlicher Unterfederungen kann dieselbe Matratze bis zu zwei Härtegrade Unterschied aufweisen!
Bei der Entscheidung über eine neue Matratze sollte der Schlafberater sich stärker an Schulterbreite, Beckenbreite, Lordosetiefe und Taillenmaßen orientieren als an Größe und Gewicht des Kunden. Zusätzlich spielen die gesundheitlichen Angaben und das Schlafverhalten eine große Rolle.

Fazit

Unsere Antwort auf die Frage, was Härtegrade über eine gute Matratze aussagen, ist sehr einfach: fast nichts! Weil die Angaben zu Härtegraden je nach Hersteller variieren, weil jeder Mensch unterschiedlich gebaut ist, jeder einen individuellen Anspruch an erholsamen Schlaf hat, es bestimmte Gesundheitsprobleme geben kann und vieles mehr.

Lassen Sie sich also im Fachhandel gut beraten und testen Sie ausgiebig die richtige Matratze für Ihren gesunden Schlaf. Wenn Sie sich doch für eine Matratze aus dem Discounter oder dem Online-Handel entscheiden, achten Sie auf ein faires Umtauschrecht. Falls Sie mit der Unterlage nämlich nicht zurechtkommen, haben nicht nur umsonst einiges Geld gelassen, sondern im schlimmsten Fall bekommen Sie auch noch gesundheitliche Probleme wie Rückenschmerzen.